venerdì 3 aprile 2009

FUER GEORG

Die folgende Geschichte ist dem älteren Bruder des Papstes gewidmet, dem ehemaligen Kappellmeister der Regensburger Domspatzen und ausgebildeten Kirchenmusiker
Monsignore Georg Ratzinger.



Ich habe hier vor mir ein schönes Foto, das ich zufällig im Internet gefunden habe und das ich mir gerne anschaue. Sooft ich kann, fast im Verborgenen.
Darauf ist ein Priester zu sehen: Dichte, weiße und glatte Haare, die Brille auf der Nasenspitze, über derselben die intensiven Augen die mit ihrem tiefen Blick genau den Beobachter fixieren. Er sitzt auf einem Schemel vor einem Piano / Klavier, die Knie leicht geöffnet. Im Halbschatten des Bildausschnitts reflektieren die leuchtenden Knöpfe der Tunika reflektieren die Knöpfe des Talars eindrucksvoll das Blitzlicht.
Er stützt die rechte Hand auf die Tastatur des Klaviers auf: die schmalen Finger, vom ausgiebigen Klavierspiel gezeichnet, liegen gespreizt auf den Tasten, genauso als ob er bereit wäre zu spielen, oder aber, als ob man ihn gerade dabei unterbrochen hätte. Im Kontrast dazu kommen die weißen Ärmel des Hemdes unter der Kutte heraus. Hinter seinem Rücken ist eine geöffnete Partitur [auf dem Klavier] zu sehen.

Nein. Er ist es nicht.
Auch wenn man sagt, dass sie sich sehr ähnlich sehen. Als ich ihn mir genauer anschaue, stelle ich zu meiner Überraschung fest, dass er die gleichen Hände hat wie er, die gleichen Finger und die gleichen Fingernägel.

Auch seine Augen sind sehr schön. Sehr dunkel, im Gegensatz [zu seinem Bruder] und ein wenig eingetrübt, aufgrund seines Alters. Wenn man ihn stehend betrachtet, dann erscheint sein Kopf leicht gebeugt und er hat [meistens] ein Büchlein unter dem Arm. Es scheint, als ob er und sein Bruder gleich groß sind, die gleichen langen Beine haben, und wenn man sie bei der Begrüßung beobachtet, dann erheben beide die rechte Hand zum Gruß lächeln freundlich aber diskret, darin ähneln sich die beiden Brüder doch sehr.

Er ist sein Bruder.

Zwei wie Feuer und Wasser, einigen Stimmen nach zu urteilen / Zwei Tropfen [des gleichen] Wasser(s), sagen Einige. Die gleiche Berufung. Den gleichen Lebensweg. Die Priesterweihe erhielten beide am gleichen Tag.
Zwei nette junge Männer mit erstem Gesichtsausdruck und schon im Talar, posierten geordnet für ein altes Familienfoto. Es wieder zu sehen, regt mich tief zum Nachdenken an.
„Mein Bruder denkt im Traum nicht daran, Papst zu werden“, sagt der Monsignore, während des Interviews im Wohnzimmer seines Hauses, auf Deutsch tuschelnd vor dem Fernseher, die weiße Fernbedienung in der Hand, einige Tage vor Beginn des Konklaves. Die letzten berühmt gewordenen Worte!
Ich wusste, dass die Tatsachen ihn widerlegt hatten.
Vor langer Zeit hatte ich ein geistliches Musikstück hören können, das von ihm komponiert worden war: Es war ein wunderbares „Sanctus“!
Die beiden Brüder teilen die Leidenschaft für die Musik, aber auch (wie man hört) für den Strudel. Sie standen sich schon immer sehr nah.

Diesen Sommer hätten sie einige Wochen zusammen in der Sommerresidenz Castelgandolfo verbringen sollen. Ferner, so schien es, als hätten sie ihn auch im Aosta-Tal erwartet. Dieser Gedanke tröstete mich. Ich freute mich für beide.
Aber es kam alles anders und eine allarmierende Nachricht ließ mich zusammenzucken: Er wurde ins Krankenhaus eingeliefert, aber du wirst sehen, dass alles gut gehen wird! wiederholte ich immer wieder, um meine Angst zu besänftigen.
An jenem gleichen Abend, zusammengekauert in der Stille meiner Küche, schrieb ich ihm einen imaginären Brief.
In jener Nacht habe ich vielleicht nur zirka eine Stunde geschlafen. Sie taten mir beide so leid und ich hätte sie gerne an mich herangezogen für eine einzige Umarmung. Ich sah ihn einige Tage später wieder: in einem Bett der „Gemelli-Klinik“, das vielleicht dasselbe gewesen war, in dem Wojtyla (Papst Johannes Paul II.) bereits gelegen hatte. Er hatte das Pflaster und die Kanüle noch in seinem Handgelenk. Der Papst war an seiner Seite. Bei dem Gedanken and den Herzschrittmacher, den er als Erkennungszeichen wieder mit zurück nach Regensburg nehmen würde, sah ich mich schon sagen: „Souvenir d’Italie“ (Souvenir aus Italien)!

Mit gerührter Dankbarkeit denke ich an ihre Mutter, Maria.
Jetzt, mit Georg, haben wir alle einen Bruder!



8. Dezember 2005